Fellwechsel beim Pferd: Alles, was du wissen musst
Jedes Jahr durchleben unsere Pferde mehrfach den Fellwechsel.
Während dieser Zeit verabschieden sich Pferde von ihrem dichten Winterfell oder ihrem leichten Sommerpelz, um sich auf die kommenden klimatischen Bedingungen einzustellen. Dieser Vorgang wirft oft für den Pferdehalter Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf die optimale Fütterung.
Doch welche Fütterungstipps sind sinnvoll und welche Mythen halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand?
Was passiert beim Fellwechsel?
Bevor wir uns mit den Fütterungstipps befassen, ist es wichtig zu verstehen, was beim Fellwechsel genau passiert.
Der Fellwechsel wird durch die Veränderung der Tageslichtlänge gesteuert. Die Zirbeldrüse im Gehirn des Pferdes registriert diese Veränderung und gibt Hormone ab, die wiederum den Fellwechsel auslösen. Im Herbst, wenn die Tage kürzer werden, beginnt das Pferd, sein dichtes Winterfell zu entwickeln, um sich auf die kälteren Temperaturen vorzubereiten. Im Frühjahr sorgt die zunehmende Tageslichtdauer dafür, dass das dicke Fell wieder ausfällt und Platz für das dünnere Sommerfell macht.
Dieser Vorgang ist etwas völlig Natürliches!
Ein gut bilanziert gefüttertes Pferd benötigt in der Regel keine Sondermaßnahmen.
Während dieser Zeit haben Pferde einen etwas höheren Bedarf an Nährstoffen und auch an Energie. Dieser Mehrbedarf wird jedoch häufig überschätzt, was sicher nicht unwesentlich durch die medialen Werbemaßnahmen verstärkt wird.
Panikmache im Fellwechsel!
Im Frühjahr und Winter häufen sich die Tipps in den sozialen Medien und auch auf den verschiedensten Portalen für Futtermittel die Meldungen, dass man jetzt dringend den „Stoffwechsel“ unterstützen sollte oder entgiften müsse. Auch Darmunterstützungen werden hier gern genannt.
Die Ratschläge rund um den Fellwechsel sind schier endlos und oft könnte man vermuten, wenn man sie nicht alle einhält, wird das Pferd großen Schaden erleiden.
Bei all diesen Ratschlägen darf man kritisch hinterfragen.
Welcher Stoffwechsel ist denn gemeint (denn es gibt nicht nur einen), der da unterstütz werden soll und wieso sollte man das Pferd auf welche Weise auch immer entgiften?
Was sollte der Fellwechsel auslösen, dass es einen Anlass gibt, dass man etwas entgiften müsste?
Ursache Fellwechsel?
Nicht selten wird der Fellwechsel als Auslöser für viele weitere Probleme betrachtet. Husten, Infektanfälligkeiten, Trägheit, uvm. wird schnell dem Fellwechsel zugeschrieben, vor allem im Wechsel vom Winter zum Sommerfell werden die schreie hier besonders laut. – Vielleicht weil dieser Fellwechsel auffälliger ist als jener vom Sommer zum Winterfell?
Oft fällt aber auch auf, dass „Probleme“ im Fellwechsel eher im Winter zum Sommerfell auftreten.
Wieso das so ist, lässt sich recht leicht erklären.
In dieser Zeit wurden die Pferde in aller Regel nur mit Grünkonserven wie Heu und Heulage gefüttert. Heu enthält produktbedingt z.B. kaum mehr Vitamine, diese bauen sich zudem im Laufe der Lagerzeit ab, das ist ein ganz normaler Vorgang. Zusätzlich sind auch die durch Grünkonserven aufgenommenen Nährstoffe häufig wesentlich geringer als im frischen Gras, wird also vor allem in den Wintermonaten unzureichend bzw. unpassend mineralisiert, rächt sich dies häufig im Fellwechsel. Schuld ist hier jedoch nicht der Fellwechsel, sondern die unpassende Ration.
Ähnliches beobachten wir bei Problemen mit Husten, Kotwasser o.ä. Weniger Bewegung, beengtere Haltung, unpassende Fütterung und eine im Laufe der Lagerung abnehmende Hygiene im Heu können je nach Ausgangslage Probleme verursachen.
Auch hier liegt die Ursache nicht beim Fellwechsel, sondern an den „äußeren“ Umständen.
Im Sommer kommen die Pferde häufig zumindest stundenweise auf die Weide, ist hier nicht gerade eine trockene Wüstenlandschaft zu finden, nehmen die Pferde in dieser Zeit nicht zu unterschätzende Mengen frisches Gras auf und damit auch einige Nährstoffe. Hierdurch sind Pferde oft in dieser Zeit um ein Vielfaches großzügiger mit Nährstoffen versorgt als im Winter bei reiner Heu/Heulage Fütterung. Dies spiegelt sich am Ende dann auch im Fellwechsel vom Sommer zum Winterfell wieder, der häufig wesentlich entspannter verläuft, obwohl dieser durch die Bildung höherer Haarmengen der durchaus „anstrengendere“ ist.
3 gängige Fütterungstipps während des Fellwechsels
Viele Ratschläge drehen sich darum, die Pferde während des Fellwechsels besonders zu unterstützen. Empfohlen wird häufig eine erhöhte Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen, aber auch Kräutern oder Säften.
Wenn man nun die vorher genannten Punkte berücksichtigt, sieht man die folgenden Ratschläge mit anderen Augen.
Fütterung zusätzlicher Mineralstoffe
Häufig wird geraten zu Fellwechselzeiten zusätzlich vor allem einzelne Spurenelemente oder einen Spurenelementkomplex zu füttern.
Diese Praxis birgt große Risiken, denn vor allem bei einer unbilanzierten Fütterung kann das Zufüttern weiterer, einzelner oder mehrerer Spurenelemente zur Überschreitung toxischer Grenzen führen. – Das wird jedoch häufig verschwiegen.
Während es bei Selen bekannt ist, dass eine Überdosierung gefährlich werden kann und u.a. zu Haarausfall oder sogar Hufrehen führen kann, wird die toxische Grenze bei Zink verharmlost oder gar verschwiegen.
JA, auch Zink kann man überdosieren und das kann u.a. zu Schädigungen im Nervensystem führen und auch bereits höhere Dosierungen über den Bedarf hinaus können sich bereits negativ auf die Darmflora auswirken.
Zink ist nicht so harmlos, wie es suggeriert wird.
Kräuterfütterung
Kräuter sollen den Stoffwechsel anregen oder die Leber entgiften. Dies suggeriert, dass der Fellwechsel etwas Unnatürliches oder gar Schädliches wäre, obwohl ein Fellwechsel ein völlig natürlicher Vorgang ist, welchen das Pferd bei passender Fütterung und entsprechender Fellpflege ziemlich sicher schadlos überstehen wird.
Zudem wird gern vergessen, dass auch Kräuter, sofern sie nennenswerte Wirkstoffgehalte enthalten, diese auch Neben- und Wechselwirkungen haben können.
Gesteinsmehle
Bentonit und Zeolith werden oft als natürliche Hilfsmittel im Kontext des Fellwechsels bei Pferden angepriesen. Kritisch betrachtet, basiert die Verwendung auf der Annahme, sie könnten durch ihre absorbierenden Eigenschaften im Verdauungstrakt des Pferdes Toxine und Schwermetalle binden und somit den Körper entgiften.
Obwohl Bentonit, ein Tonmineral, und Zeolith, ein vulkanisches Gestein, tatsächlich eine hohe Absorptionsfähigkeit aufweisen, ist die wissenschaftliche Evidenz, die ihre Effektivität und Sicherheit bei Pferden während des Fellwechsels unterstützt, eher dünn.
Die Idee, dass Pferde während des Fellwechsels einer besonderen Entgiftung bedürfen, sollte daher kritisch hinterfragt und der Einsatz solcher „Hilfsmittel“ nicht ohne weiteres als Allheilmittel betrachtet werden.
Was also tun im Fellwechsel?
Der Schlüssel zu einem problemlosen Fellwechsel liegt in einer ganzjährig bedarfsdeckenden Ration, die alle notwendigen Nährstoffe in den richtigen Mengen und Verhältnissen enthält. Bevor man zu endlos vielen Zusätzen und Wundermitteln greift, sollte man den Fokus darauflegen.
Ausreichend Bewegung ist unabhängig vom Fellwechsel maßgeblich für die Pferdegesundheit.
Kleiner Tipp, große Wirkung.
In Fellwechselzeiten darf man sich gern etwas mehr Zeit für das Putzen nehmen. Loses Fell wird so bereits abgetragen und das Putzen fördert zusätzlich noch die Durchblutung der Haut, was wiederum für den Fellwechsel nützlich ist.
Und so ganz nebenbei fördert man dabei noch die Beziehung zum Pferd – nicht so schlecht, oder?!
Also genießt die Zeit mit euren Pferden, macht den Mund zu beim Putzen und wenn euer Pferd mit dem Fellwechsel zu kämpfen hat, dann nehmt das ernst, prüft alle Umstände und vor allem die Ration und ruht verlasst euch nicht auf vermeintliche Wundermittel, die im Zweifel nur dem Kontostand der Hersteller nützen.
Quellen:
Purzel speckt ab 2.0 – Conny Röhm
Pferdegerechte Fütterung – Almut Helwig
Pferdefütterung – Coenen/Vervuert